Trebsen war bis Ende des 19. Jahrhunderts kein Industriestandort – also ca. 11.600 Jahre lang, wenn man das Ende der letzten Eiszeit in Europa heranzieht. 😉
Die Produktion der Wiede-Papierfabrik startete 1893 mit 112 Mitarbeitern (aktuell bei JST: ca. 130 Mitarbeiter). Der Transport von Rohstoffen und Produkten erfolgte in den ersten Jahren über den Bahnhof in Neichen, da Pauschwitz den Gleisanschluss erst später bekam. Die Pauschwitzer Siedlung entstand um ca. 1920, weit entfernt von der Wiede-Fabrik und unabhängig von Wiede. Das Feld gegenüber (östlich der Siedlung) wurde erst ab Mitte der 50er Jahre bis Anfang der 90er Jahre als Holzlagerplatz genutzt und danach der natürlichen Sukzession überlassen. Zu DDR-Zeiten erfolgte der Bau der heutigen Papierfabrik am Wassergraben, also über 300 Meter entfernt vom Wohngebiet. Bis 1990 beanspruchte die Zellstoff- und Papierfabrik größere Flächen in Wednig und Neichen: die heute noch existierenden Klärteiche. Sowohl in den 80er als auch Anfang der 90er Jahre gab es Pläne, neue Fabrikanlagen in Wednig zu bauen, aus denen nichts wurde. Interessant ist dabei, dass das heutige Planungsbüro von JST bereits beteiligt war.
Nach der Wende erfolgte dann der Neubau auf der grünen Wiese für die Papiersackfabrik und andere Gewerbe. Als Ausgleichsmaßnahme für dieses Gewerbegebiet wurde damals die Fläche gewählt, die heute umgewidmet ist und zukünftig als Lkw-Parkplatz dienen soll. Ende der 90er/Anfang der 2000er Jahre investiert die Stadt Trebsen, also auch die Bürger, in eine Industriegebietsstraße – primär für die Papierfabrik. 2000 übernimmt dann JST die Papierfabrik. 2003 versucht man, eine Art Müllverbrennungsanlage in Pauschwitz auf den Weg zu bringen, aus unbekannten Gründen wird das Projekt jedoch nicht umgesetzt.
Stetige Produktionssteigerungen lassen den Lärm und LKW-Verkehr zunehmen, der Gleisanschluss wird schon lange nicht mehr genutzt. Beschwerden der Anwohner bzgl. Lärm und wildparkender LKW werden von der Stadt, JST, Polizei und dem Landratsamt ignoriert oder kleingeredet. Der häufig vorkommende LKW-Stau in der Pauschwitzer Straße wird als „verkehrsbedingtes Halten“ bezeichnet. 2013 wird ein „modernes“ Kohlenstaubkraftwerk gebaut, 2015 erfolgte die letzte Produktionssteigerung auf knapp 270.000 Tonnen Papier pro Jahr und ca. 220 LKW-Bewegungen pro Tag. Nach fast 14 Jahren hatte es die Papierfabrik dann auch geschafft, die Industriegebietsstraße ins Werksgelände einzubinden. Gab es vorher eine Zu-/Ausfahrt, sehen sich die Anwohner nun mit Tor 1, 2 und 3 und einem Schallschutz konfrontiert, der aber eher als Schallreflektor wirkt. Vieles gäbe es auch von den irrlichternden LKW auf den Straßen der Siedlung, der Bahnhofstraße, dem Neubaugebiet und Wednig, auf der Suche nach der Papierfabrik oder der Autobahn, zu berichten … .
30 Jahre nach der Wende und einer seit ca. 15 Jahren guten wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland haben wir es jedoch nicht geschafft, uns um die Altlasten vergangener Tage zu kümmern. Was wird aus der Ruine der ursprünglichen Fabrik? Was wird aus den Klärteichen? Was kommt nach der Mega-Fabrik, eine Giga-Fabrik? Geht das so weiter, ist Pauschwitz bald nur noch ein reines Industriegebiet. Wohnen möchte hier dann keiner mehr. Ein weiterer Bevölkerungsrückgang ist so unvermeidlich.
(1) Dorf Pauschwitz um 1800 (2) 1876 (3) TK 1907 – Papierfabrik Wiede am ursprünglichen Standort (4) TK 1919 – Pauschwitz hat einen Bahnanschluss (5) TK 1934 – erste Häuser der Siedlung stehen (6) TK 1908-1945 – freie Fläche gegenüber der Siedlung (7) TK 1976-1989 – 50er Jahre: Bau der Zellstofffabrik, Klärteiche entstehen bei Wednig und Neichen (8) TK 1988-2001 – 90er Jahre: neues Industriegebiet westlich der Siedlung und Bau Industriegebietsstraße (9) DTK 2015-2019 – Rückbau Gleisanschluss, Zufahrt „Tor 3“, neben „Tor 1“ und „Tor 2“, wird ab 2016 genutzt (10) 2020
(11) Enstehungsgeschichte zur Siedlung, Artikel vom August 1945 (12) 1924 – Wiede Papierfabrik, an diesem Standort passiert heute nichts mehr (13) 1982 – Plan für eine neue Fabrik in Wednig (14) 1990 – Klärteiche bei Wednig und Neichen (15) 1991 – Plan für die Organocell GmbH bei Wednig (16) 2018 – Altlastenstandorte
(1), (2), (3), (4), (5) – deutschefotothek.de
(6), (7), (8), (9), (10) – geoportal.sachsen.de
(11), (12), (13), (14), (15) – muldental-history.de
(16) – Beiplan FNP Trebsen 2018